Schweden – Sundsvall 17

On 1. September 2017 by AUsland

 

Praktikum
Schweden / Sundsvall
24. April 2017 – 11. August 2017
Sundsvall Kommun
Norrmalmsgatan 4
851 85 Sundsvall

 

I. ERFAHRUNGEN IM PRAKTIKUM

Vorbereitung
Die Suche nach einem Praktikumsplatz war gar nicht so leicht. Das Praktikum habe ich nach Suchen und Bewerben bei Sundsvalls Kommune bekommen.
Die Rückmeldungen zu meinen Anfragen und Bewerbungen waren sehr gering, meist boten Kommunen oder Büros kein Praktikum für den ge­gebenen Zeitraum an oder konnten keine entspre­chende Betreuung anbieten. Durch mehrfaches Nachhaken bei meiner Kontaktperson in Sundsvall und mit Hilfe ihrer Bemühungen habe ich schlus­sendlich dort einen Praktikumsplatz erhalten.
Die weitere Vorbereitung gestaltete sich sehr prob­lemlos. Ein günstiges Zimmer habe ich über einen kommunalen Wohnungsanbieter in einem Studen­tenwohnheim bekommen und konnte mir meine Möbel von einer Firma für die Zeit des Praktikums mieten. Diese wurden mir direkt in das Zimmer gestellt und am Ende auch wieder abgeholt.

Wohnort Sundsvall
Mein neuer Wohnort für vier Monate war die Stadt Sundsvall mit ca. 58 000 Einwohnern, die ganze Kommune umfasst weniger als 100 000 Einwoh­ner. Aufgrund einer Zuwachsstrategie, die unter anderem beinhaltet, dass bis 2021 weitere ca. 2 000 Menschen in der Kommune leben sollen, wer­den in der Stadt viele neue Wohnhäuser geplant und gebaut. Typisch für Sundsvall ist die Innenstadt, die sogenannte „stenstad“. Im Sommer 1888 brannte die damalig bestehende Stadt durch ein Feuer nieder, da die Häuser aus Holz gebaut waren. In den nächsten Jahren entstanden auf dem Boden der niedergebrannten Stadt neue Quartiere mit Häusern aus Stein (daher der Name). Der Mix der Architekturstile zu dieser Zeit lässt eine abwechs­lungsreiche Architektur zum Vorschein bringen. Heute steht die Steinstadt unter Denkmalschutz.
Zusammen mit dem Standort in Östersund bildet Sundsvall die MittUniversitetet. Hier studieren ins­gesamt ca. 7 000 Studierende und ebenso viele belegen ein Fernstudium.
Außerdem legt die Stadt einen großen Wert auf die Nähe zu der Natur. Jede/r Einwohner/in soll nicht länger als 300 m zu einer Naturumgebung entfernt wohnen. In den vergangenen Jahren wur­de Sundsvall als Freiluftstadt ausgezeichnet.
Sundsvall war sehr entspannt als Wohnort. Mit dem Rad konnte ich alles Nötige erreichen und war nicht auf den ÖPNV angewiesen. Die Stadt selbst bietet viel Natur um sich herum, die sich se­hen lassen kann. Von Sundsvall aus habe ich viele Reisen unternommen. So lassen sich Norwegen und Finnland gut erreichen, aber auch der Nor­den von Schweden ist äußerst sehenswert. Bein­druckend und wirklich schön war die Helligkeit, wodurch ich wesentlich weniger Schlaf gebraucht habe.
Da ich in einem Studentenwohnheim gelebt habe, habe ich Schweden, aber auch viele Internationals kennengelernt und mit ihnen zusammen unter der Woche oder am Wochenende meine Freizeit gestaltet.

 

 

Praktikumseinrichtung / Arbeitsbedingungen
Mein Praktikum habe ich beim Städtebauamt im Bereich der Abteilung Boden und Entwicklung absolviert. Zentrale Aufgabe ist es, kommunalen Boden und Wald zu kaufen, zu verkaufen und zu verwalten. Meine Kollegen waren z.B. Ingenieure, Projektleiter oder Landschaftsarchitekten.
Während meiner Praktikumszeit habe ich ein eige­nes Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt bekom­men. Ich konnte frei wählen, wann ich anfangen wollte zu arbeiten – meist habe ich von 8 Uhr bis 16.30 oder 17 Uhr gearbeitet.
Das Miteinander wurde in der Kommune großge­schrieben. Zu Beginn habe ich an einer Mitarbei­tereinführung teilgenommen, bei der Vorträge über Motivation, die Zusammenarbeit mit Kollegen und rechtliche Grundlagen thematisiert wurden. Au­ßerdem wurde im Sommer vom Städtebauamt ein Verwaltungstag organisiert. Hier hielt der Stadt­planer Göran Cars einen Vortrag über den Umbau Kirunas und anschließend wurden während eines Spaziergangs durch die Stadt aktuelle Projekte vorgestellt.
Das Arbeitsklima war sehr angenehm. Mit den Kollegen konnte sich während der Kaffeepausen um 9 Uhr und um 14 Uhr ausgetauscht werden. Vor der 9 Uhr Pause gab es in unserem Flur eine 5-10-minütige Gymnastikeinheit, geleitet von einer Kollegin. Jeden Freitag wurde sich morgens getroffen und es gab ein gemeinsames Frühstück. Außerdem wurde zum Abschluss vor dem Som­mer ein APT (arbetsplatsträff) mit der Abteilung veranstaltet, an dem wir während einer Führung mehr über die Entstehung Sundsvalls gelernt ha­ben, anschließend wurde Tunnbröd gebacken.
Das Praktikum war unvergütet – ich habe aller­dings Essenscoupons für die Cafeteria bekommen und konnte dort mittags essen. Außerdem wurde mir ein Handy und eine Sim-Karte mit Vertrag zur Verfügung gestellt. Da ich sehr gerne nach Schwe­den gehen wollte, war mir die Vergütung weniger wichtig. Zusätzlich wurde ich durch die EU-Förde­rung monatlich unterstützt.

Inhalte des Praktikums
Den Großteil meines Praktikums habe ich mich inhaltlich mit dem von der Kommune initiierten Projekt „grönt boende“ beschäftigt, bei welchen vier Familien auf nachhaltige Art ihr neues Eigen­heim bauen (siehe IV). Die Familien nahmen vor der Planung ihrer Häuser an einer Seminarreihe teil und gelangten an relevante Informationen. Ich habe untersucht, was die Familien während der Seminarreihe gelernt haben und erstellte eine Reflektion über das Format und die behandelten Themen. Meine Erkenntnisse hielt ich in einem selbstgestalteten Bericht fest.
Außerdem wurde ein „öppet hus“ organisiert, um interessierte Familien auf die Baustelle einzula­den. Dabei half ich bei der Organisation, Auf- bzw. Abbau.
Im Wintersemester 2017 wird zusammen mit der MittUniversitetet ein Kurs angeboten, in welchem Informatikstudierende eine Art digitalen Coach entwickeln, der relevante Themen (z.B Energie­quellen, Materialverwedung, Kosten etc.) bezüg­lich des nachhaltigen Bauens enthält und eine/n potentielle/n Hausbauer/in Entscheidungen er­leichtert. Für diesen Kurs bewarben wir uns bei der Universität und ich bereitete einen Vortrag über das Projekt „grönt boende“ vor und präsentierte es vor den Studierenden.
Eine weitere Aufgabe war die Auswertung einer Umfrage hinsichtlich eines Umbaus von einem Park (Nacksta park). Hier stellte ich die Stand­punkte und Wünsche von SchülerInnen, Eltern, Anwohnenden und Personal für den Park zusam­men und begleitete Interviewgespräche bei sozia­len Einrichtungen.
In den letzten Wochen meines Praktikums arbei­tete ich zusammen mit einer Architekturstudentin aus Göteborg an einem Entwurf für eine neue Wohnbebauung entlang einer Lauf- und Trainings­strecke. Wir führten zu Beginn eine Analyse durch, sprachen mit Abteilungen aus der Kommune und entwickelten daraus ausgehend zwei Entwürfe.
Kleinere Aufgaben, wie die Digitalisierung von Akten und deren Zuordnung auf einer Online-Platt­form, die Mitarbeit an der Organisation einer Woh­nungstagung, sowie die Adressenzusammenstel­lung für eine Konferenz wurden mir zwischendurch zugeteilt.
Mit meiner Betreuung während der Zeit war ich rückblickend größtenteils zufrieden. Meine Betreu­ungs- und Ansprechperson für das Projekt „grönt boende“ war sehr hilfsbereit. Auch bei anderen Fragen und neuen Aufgaben hat sie mich unter­stützt. Eine große Hilfe war eine angestellte Jour­nalistin, sie korrigierte meinen Bericht sprachlich.
In dem ersten Monat hatte ich für das Projekt „grönt boende“ eine weitere Kontaktperson, eine Dozentin der Universität, die den Fragebogen erstellt hat. Allerdings war sie für die restliche Zeit meines Praktikums im Urlaub bzw. krankheitsbe­dingt nicht zu erreichen, was es teilweise schwie­rig gemacht hat, Fragen zu klären, da auch meine Betreuungsperson nicht zu allem eine Antwort wusste. So war ich größtenteils auf mich gestellt und traf viele Entscheidungen selbst. Auch als der Bericht fertiggestellt war, habe ich kein konkretes Feedback zu den Inhalten bekommen, was ich mir im Nachhinein gewünscht hätte und wahrschein­lich stärker drauf eingehen hätte sollen. Generell ist hier anzumerken, dass die Kritik in Schweden nicht so direkt wie in Deutschland offen gesagt wird. Es fiel mir teilweise schwer mit der geringen Kritik weiterzuarbeiten, allerdings forderte es mich selbst heraus und ich hinterfragte und reflektierte meine Arbeit selbst stärker.

Bewertung des Praktikums
Ich bin sehr zufrieden mit meiner Wahl, in Sunds­vall ein Praktikum gemacht zu haben. Vorrangig habe ich ein Themenfeld vertieft, welches mich sehr interessiert und an welchem ich auch weiter­arbeiten möchte. Außerdem habe ich von vielen Kollegen in ihre Arbeit einblicken können und so weitere Arbeitsfelder kennengelernt. Vor allem gefallen hat mir die zu Beginn sehr eigenständige Arbeit an dem Bericht und dann die Zusammenar­beit mit einer Architekturstudentin.

 

 

II. BESCHREIBUNG EINES AUSGEWÄHLTEN PROJEKTES

Das Projekt wurde durch den politischen Auftrag der Kommune, nachhaltige Gebäude zu initiieren und zu gestalten und aufgrund einer Idee eines ansässigen Architekten nachhaltige Einfamili­enhäuser zu bauen, ins Leben gerufen wurde. Gesucht wurden vier interessierte Familien, die während einer Seminarreihe für relevante The­men (Lebensstil, Energie, Wasser/ Abwasser, Material/ Abfall und Luft) sensibilisiert werden sollten. Zusammen mit der Universität wurde diese Seminarreihe an fünf Abenden im Frühjahr 2015 durchgeführt. Ziel war es, den Familien Wissen zu vermitteln, damit sie den Bauprozess auf nach­haltige Weise planen und durchführen konnten. Anschließend belegten sie einen Passivhaus­workshop und lernten innerhalb eines Workshops nachhaltige Materialien kennen. Mit neuem Wis­sensstand, neuen Inspirationen und Ideen haben schlussendlich vier der zu Beginn angemeldeten 21 Familien ein Umweltprogramm (Beschreibung ihres Bauprojektes) abgeben und sich so für den Grundstückskauf qualifiziert. Im Frühjahr 2016 be­gann die erste Familie ihr Haus zu bauen; erwartet wird, dass alle vier Familien bis Frühjahr 2018 eingezogen sind.
Meine Aufgabe befasste sich mit der Erstellung eines Berichts über die Seminarreihe. Vor sowie nach der Seminarreihe wurde eine Online-Befra­gung durchgeführt, die unter anderem abfragte, welche Themen sie interessierten, was für einen Wissenstand die Familien in Themenfeldern hatten und zudem als wie wichtig sie diese einstuften.
Die fünf Seminarabende befassten sich mit folgen­den Themen: Einführung des Projektes, Bau­technik (u.a. nachhaltiges Material, Energiewahl), Bauökonomie, Bauprozess und nachhaltiger Le­bensstil. Grundlegend konnte festgestellt werden, dass die Familien ihren Wissenstand verbessern konnten. Erkannt werden konnte, dass die vier
Familien vor der Seminarreihe unterschiedliche Voraussetzung und Wissensstände hinsichtlich der Themenfelder hatten – nach der Seminarreihe haben sich die Familien angenähert und haben größtenteils mindestens einen „guten“ Wissens­stand.
Elementar waren die Seminare zu Bautechnik und Lebensstil, denn dort zeichnete sich ab, dass die Familien am meisten gelernt haben. Es konnte festgestellt werden, dass es schwer war, im In­ternet generelle Informationen über nachhaltiges Bauen zu finden und entsprechende Firmen aus­findig zu machen.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Seminarrei­he ein gelungener Einstieg in das Thema für die Kommune darstellt. Nun gilt es, diese gewonnenen Informationen zu sammeln und für weitere Haus­bauer zur Verfügung zu stellen, sodass es leichter wird, ein nachhaltiges Haus zu bauen.

 

 

III. PLANUNGSKULTUR SCHWEDEN

Das schwedische Planungssystem bilden der Regionalplan (regionalplan), der Flächennut­zungsplan (översiktsplan), Gebietsbestimmungen (områdebestämmelser) und der Bebauungsplan (detaljplan). Die beiden zuletzt genannten sind juristisch bindend, während Regional-, sowie Übersichtsplan Richtlinien für die Kommune sind und die Aufstellung des Bebauungsplanes beein­flussen.
Das Planungsmonopol hat die Kommune inne, sie verwaltet und ist verantwortlich für die Flä­chennutzung. Die Kommune erstellt und nimmt die Flächennutzungs-, sowie Bebauungspläne an. Außerdem ist sie für jegliche Art der Planlegung von Boden und Wasser zuständig. Sie ist außer­dem dazu verpflichtet, einen aktuellen Flächen­nutzungsplan zu haben, um so kommunale Ziele, aber auch nationalen und regionalen Ziele berück­sichtigen zu können.
Die nationale Ebene, sowie die regionale, haben begrenzte Zuständigkeiten. Regionalplanung ist in Schweden freiwillig. So können bei Projekten, die kommunenübergreifend sind (z.B. Infrastruktur­projekte, Klima, Wohnungsmarkt), mit Kommunen zusammenarbeiten und über die Flächenverwen­dung entscheiden.
Die nationale Ebene hat keinerlei Entscheidungs­gewalt auf dem Land, aber über das Meer. Die nationale Ebene gibt den Kommunen und Regio­nen allerdings Richtungen anhand von nationalen Zielen vor. Die Verwaltung der Regierungsbezirke (länstyrelse) berücksichtigt und koordiniert diese Ziele und Interessen bei Entscheidungen, die die Kommunen trifft. Außerdem kann auf nationaler Ebene beschlossen werden, ob ein Gebäude oder Quartier besonders wichtig oder schützenswert ist (riksintresse).

 

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