China – Shanghai 15/16

On 1. August 2016 by AUsland

China, Shanghai
Wintersemester 15/16 und Sommersemester 16
Tongji University
Studiengang

 

I. Vorbereitung des Auslandsaufenthalts

Die Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt war relativ entspannt. Da ein Auslandssemester oder -jahr im Bachelor Studium Urbanistik inbegriffen ist und auch eine ähnliche Leistung wie „zuhause“ erwartet wird, war bereits vieles vororganisiert. So gab es z.B. ein vorbereitendes Auslandskolloquium, in dem die meisten allgemeinen Fragen geklärt werden konnten. Wenn man sich einmal sicher war, wo es hingehen sollte, musste man sich eigentlich nur noch auf ausgetretenen Pfaden bewegen.
Was vor allem geholfen hatte, war, sich mit den Studierenden zu treffen, die in den Semestern davor in Shanghai waren. Sie konnten viel von ihren persönlichen Erfahrungen erzählen und bei Unsicherheiten helfen.
Die Kontaktaufnahme mit der Gasthochschule war so gut wie gegeben durch das International Office und die Kontaktperson aus der eigenen Fakultät, wenn man für eine bestimmte Stadt ausgewählt war. Folglich hatte der Kontakt hauptsächlich über weitergeleiteten Email-Verkehr bestanden. Ansprechpartner waren in meinem Fall Karoline Kauert und Evelyn Beyer.
Die Bewerbungsbedingungen wurden uns ebenfalls per Email zugeschickt. Die benötigten Dokumente mussten alle per Post im Original an das International Office in Shanghai geschickt werden, weshalb man die Dauer so einer Sendung nicht unterschätzen sollte, wenn es nicht eine teure Expresslieferung werden soll (wie bei mir).
Was direkt zum nächsten Punkt führt und zwar dem Visum. Als ausländischer Studierender in China wird, sofern man länger als ein halbes Jahr bleibt, das sog. X1-Visum benötigt, das entweder online oder in der Chinesischen Botschaft Berlin und den Konsulaten in Hamburg, München, Frankfurt beantragt werden kann. Dieses Visum wird nachher bei der Polizei in China zu einer Aufenthaltsgenehmigung, einem „residence permit“, umgewandelt und somit kann man die komplette Dauer so oft ein- und ausreisen, wie gewünscht, was natürlich gerade in den Ferien und eventuell geplanten Reisen sehr praktisch ist. Das Visum dauert allerdings auch seine Zeit, um fertig zu werden und allererste Voraussetzung ist natürlich überhaupt erstmal ein Reisepass, der ebenfalls nochmal ein paar Wochen Zeit braucht nach der Beantragung. D.h. anfangs ist eine aufmerksame Herumjongliererei mit Fristen und Bearbeitungszeiten auf jeden Fall nicht schlecht, sofern man nicht auf den letzten Drücker seine Unterlagen auf Risiko nach China schicken will.
Falls es doch noch knapp geworden sein sollte, sind die Damen im International Office meistens sehr freundlich und verständnisvoll und geben sich Mühe, dass trotzdem alles klappt.
Irgendwann hatten wir noch den Link zu einer chinesischen Website geschickt bekommen, auf der man sich anmelden und final einschreiben musste; die Seite wurde danach allerdings nie wieder gebraucht.
Was mein Sprachlevel anging, hatte ich bereits ein paar Grundkenntnisse, da ich damals einen Teil meiner Schulzeit in China verbracht hatte und deshalb ein gewisses Gefühl und ein Grundvokabular für die Sprache entwickeln konnte. In Weimar hatte ich zwei Semester lang den Chinesisch Kurs der Universität beleget, um nicht alles zu vergessen. Das hat mir im Alltag eine Menge weitergeholfen, allerdings ist es absolut kein Problem nur geringe Vorkenntnisse zu besitzen, da die entsprechenden Vorlesungen und Projekte sowieso auf Englisch gehalten werden und bei einem der praktischen Seminare gab es sogar eine Übersetzerin nur für die ausländischen Studierenden. Für den Alltag außerhalb des Campus ist es natürlich trotzdem nötig wenigstens grundlegende Vokabeln zu beherrschen.

 

 

II. Studium an der Gasthochschule

Was die Wahl der Kurse angeht, konnte man sich innerhalb der ersten Woche vor Ort entscheiden und auf einem Zettel die ausgewählten Fächer eintragen. Vorlage war eine Art Büchlein, das man im International Office bekommen hat mit allen Kursen des CAUP, in dem man sich dann nur noch zurechtfinden musste. Die Auswahl war ziemlich frei und wenn man die Pflichtvoraussetzungen erfüllt hatte, konnte man sich auch in Masterkursen oder, für mich als Urbanistin besonders, dem Architekturprojekt eintragen.
Die meisten Kurse waren, vor allem auch aufgrund der englischen Sprache, gezielt auf die ausländischen Studierenden ausgerichtet, konnten aber trotzdem auch von „normalen“ Studierenden der Tongji Universität belegt werden. Deshalb war es in manchen Veranstaltungen gemischter und in manchen relativ homogen.
Ich hatte mir in mein erstes Semester relativ viele Kurse gelegt und zusätzlich ein Projekt, weshalb dieses Semester ab der Hälfte bis zum Ende hin ziemlich voll und aufwendig war. Der Grund dafür war allerdings, dass ich somit im zweiten Semester aufgrund der bereits erarbeiteten Punkte, kein Projekt mehr und nur noch 4 weitere Veranstaltungen wählen musste, die halbwegs entspannt waren ( z.B. „Sculpture“) und deshalb viel Zeit hatte, um Shanghai zu entdecken und längere Ausflüge zu machen.
Die Anforderungen für die einzelnen Fächer waren meist relativ ähnlich wie an der Bauhaus-Uni. Zwar wurde teilweise mehr Aufwand verlangt, u.a. weil es sog. midterms gibt, also in der Mitte des Semesters werden bereits Abgaben erwartet bzw. „Zwischenprüfungen“ und Referate gehalten, allerdings war die Anforderung an Qualität meist etwas niedriger.
Die verschiedenen Veranstaltungen waren sehr unterschiedlich. Um eine kleine Auswahl darzustellen: „Comparison of Chinese and Western Architecture“ oder „Mapping the City“ waren eher Vorlesungen, die aber trotzdem nicht rein frontal gehalten wurden und meistens noch zusätzliche kleine Aufgaben oder Referate gefordert haben. Das Projekt „Creative Architecture“, für das ich mich entschieden hatte, war eines, das eigentlich für Architekten gedacht war und eben auch einen bzw. hier zwei Entwürfe gefordert hatte. Glücklicherweise ist niemandem aufgefallen, dass ich eigentlich Urbanistin bin und durch die Möglichkeit einer Partnerarbeit habe ich einiges von meiner Projektpartnerin gelernt, was architektonische Herangehensweisen angeht.
Da ich damals auch eher von der architektonischen Begeisterung auf Urbanistik gekommen war, war es eine wunderbare Auszeit von reinen Diskussionen und dem Textelesen, durch die Auswahl an Kursen, die ich deshalb gewählt hatte.
Es gab sehr künstlerische und kreative Kurse, wie „Art Pottery“ und „Brick- & Woodcarving“, bei denen handwerkliches Können und reine Kreativität und die Fähigkeit zu abstrahieren oder interpretieren gefragt waren.
Außerdem wurden bei diesen beiden Kursen (einer fand im Winter- und einer im Sommersemester bei dem gleichen Professor statt) „Fieldtrips“, also Exkursionen, organisiert, die über drei/vier Tage gingen, in denen man komplett gesponsert an einen bestimmten Ort in China gefahren ist, der etwas mit dem Inhalt des Kurses zu tun hat, oder der der traditionelle Ursprung dieses Handwerks ist. Somit hat man Orte in China besucht, die fernab von den 10 beliebtesten Ausflug-Tipps des Reiseführers liegen, und wirklich interessant und reich an Traditionen sind. Teilweise sehr ursprünglich und ohne einem anderen westlichen Gesicht zu begegnen (anders als natürlich in Shanghai selbst).
Die Ausflüge waren trotz genügend Freiheiten sehr gut durchorganisiert und hatten einem sowohl die Möglichkeit gegeben vielen Situationen oder Menschen zu begegnen, die man als normaler Tourist so nicht erleben kann. Diese beiden Kurse würde ich wirklich jedem weiterempfehlen, der/die Gefallen am Selbermachen und Interesse an chinesischer Kultur findet.
Ein weiterer kreativer Kurs war „Film Architecture“, in dem man, nachdem man einigen Input bekommen hat, insgesamt zwei eigene Filme dreht und bearbeitet. Es war unglaublich aufwendig und hat auch viel Zeit gekostet, vor allem, da man sich erstmal in dem Adobe Programm „Premiere Pro“ zurecht finden muss (in China relativ einfach kostenlos herunterzuladen 😉 ), aber es war sehr interessant und hat unglaublich viel Spaß gemacht und es ist sehr hilfreich das Filmeschneiden gelernt zu haben, da ich es zumindest noch für andere Projekte nutzen konnte.
Der letzte Kurs, den ich ansprechen möchte ist „Contemporary Architecture and Urban Planning“, weil er in dem Sinne besonders war, dass es meistens keinen wirklichen Unterricht gab, sondern Vorträge von Vertretern bestimmter bekannter Architektur- und Stadtplanungsbüros über ihre Projekte und/oder ein bestimmtes Thema. Ähnlich wie „horizonte“ hier in Weimar. Schön war, dass man einige Vortragende im Nachhinein ansprechen konnte und sowohl Fragen stellen konnte, als auch Visitenkarten für eventuelle Praktika ergaunern.
Insgesamt kann man über die Kurse sagen, dass es eine vielfältige Auswahl gibt und, natürlich der Wahl entsprechend, gute Alternativen zu dem Urbanistikstudium in Weimar bieten. Wie viel Engagement und Organisation in den Veranstaltungen steckt hängt eher von den Lehrenden ab.
Manchmal geht leider auch etwas Qualität der Veranstaltung aufgrund der Sprachbarriere verloren, was ich aber nicht als ausschlaggebend ansehen würde, um nicht nach China bzw. Shanghai zu kommen, da es mir zumindest nicht nur um das Lernen an der Tongji ging, sondern auch vorallem um das Lernen von China, dessen Kultur und des meist komplett absurden Alltags darin.
Eine weitere Besonderheit betrifft die Kommunikation mit Lehrenden, ihren Angestellten, dem International Office und eigentlich jeder Person in China mit der man mal ansatzweise in Kontakt getreten ist. Neben persönlichen Treffen, findet sie zwar auch häufig über Emailverkehr statt, aber besonders auffällig wird die App „Wechat“ genutzt. Hier ist es relativ abwegig, dass man mit seinen Professoren sowohl in Gruppen, als auch privat auf Whatsapp chattet, in China ist das allerdings eine der größten Plattformen, um in Kontakt zu treten. Generell ist die App auch viel vielfältiger, als z.B. Whatsapp. Sie ist nicht nur ähnlich wie Facebook, da man bestimmten Seiten und Accounts folgen oder Bilder posten kann, sondern viele Menschen bezahlen bereits ihr Taxi oder im Supermarkt über Wechat. Es ist eine Menge möglich, auch wenn es deshalb vielleicht eher einen gruseligen Charakter hat, aber in China läuft fast alles über diese App. D.h. wenn man sie nicht hat, kann man auch einige Dinge verpassen.

 

III. Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden

Wie bereits gesagt, sind in manchen Kursen relativ viele chinesische Studenten, oder auch die Mehrzahl, in anderen wieder kein einziger. Die Kontaktaufnahme war meistens eher schwierig, außer man wurde in gemeinsame Gruppen aufgeteilt. Aber selbst dann entwickelte es sich selten zu etwas Anderem als einer Gruppenpartner-/Kommilitonen-Beziehung. Das lag nicht daran, dass man sich nicht gut mit den chinesischen Studierenden verstanden hätte, aber als International Student hatte man einen komplett anderen Studienalltag und im Durchschnitt viel mehr Freizeit.
Die Studierenden an chinesischen Universitäten mussten, abgesehen von der Möglichkeit eine Menge Semestergebühren zahlen zu können, meistens hart dafür arbeiten und lernen, um überhaupt auf die Universität zu kommen. Als regulärer Studierender wird man in einem Punktesystem eingeordnet, welches eine Hierarchie einführt, in der man nur „weiter kommt“ oder die Chance auf einen Auslandsplatz bekommt, wenn man laut seiner Punkte zu den besten gehört.
Deshalb ist verständlich, dass auf den meisten ein enormer Leistungsdruck liegt und sie hauptsächlich damit beschäftigt sind den ganzen Tag Veranstaltungen zu besuchen und den Rest des Tages zu lernen und dann oft um zehn oder elf schlafen zu gehen.
Das unterschied sich stark von unserem Alltag, sodass man sich eigentlich hauptsächlich in der Mensa treffen konnte. Das ist zwar sehr schade, trotzdem sind die meisten chinesischen Studierenden sehr freundlich und hilfsbereit, wenn man Probleme oder Fragen hat.
Somit haben sich eher Gruppen innerhalb der ausländischen Studierenden ergeben, die aber in unserem Fall auch relativ gemischt an Nationalitäten waren.
Andere Chinesen in ähnlichem Alter hat man dann eher bei der nächtlichen Freizeitgestaltung getroffen, die dann allerdings in den meisten Fällen sehr unterschiedliche Lebensstile hatten als der/die „brave Universitätsstudierende“.

 

IV. Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Obwohl ich schon einige Vorkenntnisse und wie erwähnt schon ein gewisses Gefühl für die Sprache besaß, war ich letztendlich immer noch ein Anfänger, als ich nach China kam. Wenn man im Alltag von chinesisch umgeben ist, lernt man natürlich viel schneller und intuitiver. Insbesondere wenn man in China ziemlich darauf angewiesen ist, da die meisten Chinesen mit denen man im Alltag Kontakt hat, sprich Obsthändlerin und Taxifahrer, kein Englisch sprechen. Das Lernen geht aber meistens ziemlich fix, weil die Mehrheit, nach meinem Empfinden, ein sehr offenes, witziges und gesprächsfreudiges Völkchen ist und einen so lange auf Chinesisch zuredet, bis man endlich verstanden hat, was sie meinen oder eben etwas Neues dazu gelernt hat. Zudem besteht oft ein großes Interesse an der Person, weil man eben anders aussieht und deshalb oft gefragt wird, was man denn hier macht, wo man herkommt, was die Eltern machen usw., weshalb man die Dialoge des Chinesischkurses (ich hatte den Kurs für Fortgeschrittene besucht, was mir allerdings oft zu schnell ging, besonders weil häufig bestimmte Zeichen lesen oder schreiben können erwartet wurde) direkt auf der Straße üben konnte.
Da die Betonung der Wörter sehr wichtig ist, um verstanden zu werden, für mich der Singsang aber schon immer leichte Probleme bereitet hatte, kam es schon zu einigen sehr witzigen Situationen mit Taxifahrern oder einem ausversehen gekauften Schweinemagen anstatt von Hühnchenfleisch. Aber auch hier, eher die Möglichkeit dazu zu lernen, als dumm da zu stehen und normalerweise haben die Chinesen Verständnis für gemachte Fehler und die Schwierigkeit ihre Sprache zu lernen.
Nachdem ich in dem Sprachkurs von der Uni für mich keinen Sinn mehr sah, haben zwei Freunde und ich uns um eine private Chinesischlehrerin gekümmert und sind einmal in der Woche zu ihr nachhause für den Unterricht gefahren. Dieser Unterricht hat mir nochmal extrem weitergeholfen und mein Sprachlevel um einiges verbessert. Das tatsächliche Level kann ich zwar mit keinem offiziellen Test belegen, aber ich konnte sehr viel mehr verstehen als vorher und hab mich in Unterhaltungen sicherer gefühlt, auch wenn mir das zuerst nicht unbedingt aufgefallen war, weil man meiner Meinung nach bei Chinesisch immer das Gefühl hat, nicht auslernen zu können.
Hier zurück in Deutschland hab ich leider schon wieder eine Menge der Sprache vergessen, da es wichtig ist, wie in wahrscheinlich jeder Sprache, konstant Vokabeln zu lernen und dran zu bleiben. Vermutlich würde ich bei nächster Gelegenheit einen Intensivsprachkurs belegen, der einen oft weiter bringt, als einmal wöchentlich, was natürlich bei relativ normalem Unialltag nicht möglich ist.

 

 

V. Alltag, Freizeit, Stadt und Wohnen

Da meine Kommilitonin und ich das Dokument zum Mieten eines Zimmers im Studentenwohnheim auf dem Campus missverstanden hatten, weil es zum größten Teil auf Chinesisch war, haben wir missverstanden, dass der Mietpreis nicht für einen Monat, sondern das komplette Semester galt. Deshalb und auch weil wir gerne „unter den Chinesen“ wohnen wollten, hatten wir beschlossen uns zuerst zwei Wochen in einem Hotel direkt neben dem Unicampus niederzulassen, um von dort aus nach passenden Zimmern zu suchen. An sich geht das Mieten super schnell. Man sagt einem Zimmer oder einer Wohnung zu und kann meistens direkt am nächsten Tag einziehen.Das Problem war anfangs nur, dass wir in einen der vielen Maklershops gegangen waren, die es auf jeder Straße mindestens ein paarmal gibt und mit einem riesen Sprachproblem beiderseits versucht hatten, klar zu machen was wir suchen. Zwei Zimmer in einer Wohnung oder auch gerne noch mit anderen zusammen, also etwas WG-ähnliches.
Allerdings wussten den beiden Maklern nicht wirklich, was wir suchten und haben uns auf Rollern mitgenommen zu ein paar Wohnungen, die aber entweder nur ein Zimmer für uns zusammen in einer WG, die noch eine halbe Baustelle war, besaßen oder so heruntergekommen und verschimmelt waren, dass wir wirklich alle Ansprüche hätten fallen lassen müssen. Das ging natürlich auch nicht allen so, einige Freunde hatten es genauso gemacht und eine gute Unterkunft gefunden.
Wir waren allerdings leicht demotiviert und hatten das Glück, dass eine andere Freundin, die auch aus Weimar kam, beim Mittagessen auf der Straße eine Chinesin kennengelernt hatte, die zufällig als Maklerin bei dem Unternehmen „Lianjia“ gearbeitet hat. Diese Lianjia Büros sind mit der Zeit überall in Shanghai aufgetaucht und waren in einem Straßenzug oft sogar mehrmals vertreten, d.h. es sollte nicht schwer sein sie zu finden.
Diese Frau hatten wir dann auf Wechat angeschrieben, uns mit ihr getroffen und hatten direkt mit der ersten Wohnung Glück. Sie hatte uns dann an die Agency „ziroom“ vermittelt und es wurden Verträge von einem Jahr unterschrieben, bei welchen der Service einer zweiwöchentlichen Putzkraft, sog. Ai, mit inbegriffen war.
Allerdings muss man hier extrem aufpassen und am besten einen vertrauenswürdigen Menschen, der chinesisch kann, dabeihaben, da die Verträge, zumindest in unserem Fall, gänzlich auf Chinesisch waren und man noch nicht mal lesen konnte, was man unterschreibt.
Es gab außerdem bestimmte Kündigungsfristen, die uns erst im Nachhinein offenbart wurden, weshalb wir unsere Kaution nicht zurück bekamen und dubiose Angebote, der Agency doch einfach nichts von dem Auszug zu sagen, um kein zusätzliches Geld zahlen zu müssen, dann aber auch die Kaution nicht zurück gezahlt wird.
D.h. am besten davor lieber alles doppelt nachfragen und klären, anstatt im Nachhinein doof da zu stehen. An sich konnte ich mich aber nicht über die Wohnsituation beschweren, da ich 15 min mit dem Fahrrad von der Uni entfernt, in einer WG im 23. Stock in einem sehr sauberen Zimmer mit toller Aussicht und in einem kulinarischen Straßentempel gewohnt habe. Ich bin wohl damals noch an eine der seriösesten Agenturen geraten.
Die Miete an sich ist in Shanghai relativ hoch, wenn man zu ähnlichen Standards wie zuhause leben möchte und anscheinend bezahlen AusländerInnen auch oft mehr für ein Zimmer, als chinesische BewohnerInnen, zumindest sobald es ein privater Vermieter ist, der die Mietpreise so legt, wie er will.
Die Wohnungen in China sind eigentlich immer in hochstöckigen Gebäuden, die dann wiederum in einem abgegrenzten und bewachtem Wohnkomplex stehen. Es gab bestimmte Wohncompounds, die beliebt bei ausländischen Studierenden waren, wie z.B. das Rainbow Village, oder ein Wohnkomplex in der Innenstadt, sehr nah der East Nanjing Road, bei dem ich nicht mehr weiß, wie er heißt, aber ich habe ihn auf dem google maps Screenshot markiert.
Ansonsten sind die Studentenwohnheime für die ausländischen Studierenden auf dem Campus keine schlechte Unterkunft, man muss sich allerdings den Raum mit einer weiteren Person teilen. Außerdem kann das Wohnen auf dem Unigelände in dem Sinne verhängnisvoll sein, dass man den Campus nicht mehr verlässt. Theoretisch muss man das nämlich auch gar nicht, da alles vorhanden ist, wie Supermärkte, Schreib- und Bastelshops, Cafés, eine Vielzahl an unterschiedlichen Mensen, die Bibliotheken, Frisöre und Nagelsalons, Handyvertraganbieter, Fahrradverkäufer und Werkstätten, ein Fitnessstudio, eine Schwimmhalle, Sportplätze und noch viel mehr.
Die Lebenserhaltungskosten sind in Shanghai relativ hoch, aber es kommt eher auf den Lebensstil an. Auf dem Campus spart man natürlich extrem an Miete, die in meinem Fall eine riesige Menge meines Budgets verlangt hatte. Dafür kann man für extrem wenig Geld satt werden und seinen Durst stillen, wenn man die Straßenlokale und das teils illegale Streetfood ausprobiert. Auch Kinobesuche oder chinesische Snacks aus dem Shop sind im Vergleich zu Deutschland viel billiger (außer man legt Wert auf importierte Ware, wie z.B. Käse oder Schokolade, die wiederum um einiges teurer sind. Man gewöhnt sich allerdings mit etwas Willen relativ schnell an das chinesische Essen, das nebenbei hervorragend ist.)
Feiern gehen an sich ist eher teuer, bezogen auf die Eintrittspreise und alkoholische Getränke (es kommt natürlich auch hier wieder darauf an, wo man ausgehen möchte), dafür ist die Taxifahrt nachhause wieder extrem billig, vor allem, wenn man teilt. Wie man sieht, gleichen sich die hohen und niedrigen Preise stetig aus, wodurch man letztendlich ähnlich viel, wie in Deutschland ausgibt, abgesehen eben von der hohen Miete.
Was generell die Freizeitgestaltung angeht, besitzt Shanghai natürlich ein enormes Angebot. Ich will gar nicht erst versuchen hier alles aufzuzählen, aber hier zu meinen Lieblingen. Es gibt eine Menge tolle Kunstausstellungen in Shanghai, sowohl von bekannten Künstlern, als auch von gänzlich unbekannten. Eine Art Künstlerdorf, das von einer Fabrik zu Ausstellungsräumen bzw. Werkstätten umgenutzt wurde, ist nicht überlaufen und hat am Ende zudem ein schönes Café, das das alte Gebäude wunderbar nutzt. Ich weiß leider nicht mehr wie es heißt, nur noch den Weg von der U-Bahnstation. Die „Power Station of Art“ war allerdings immer mein Favorit. Eine altes, wie der Name schon sagt, Elektrizitätswerk, dessen Räume mittlerweile für Kunstausstellungen, Kunstaufführungen und -experimente Gebrauch finden. Es war zu meiner Zeit kostenlos, auch wenn ich gelesen habe, dass nun manche Ausstellungen etwas kosten sollen. Das Long-Museum ist vier Stationen entfernt und ist nicht nur bezüglich der Ausstellung, sondern auch architektonisch sehr interessant.
Gerade was die Architektur angeht, kann man sich eine Menge außergewöhnliche Bauten ansehen. Aber nicht nur moderne, sondern auch die grundlegend absurde Architektur, die keinen Regeln, nur dem freien Willen zu folgen scheint und die man so wohl nur in China findet, ist über Shanghai verstreut.
Es lohnt sich auch definitiv mal in den Bus zu steigen, umgerechnet 30 Cent zu zahlen und bis zur Endstation einer Linie zu fahren. Man sieht nicht nur viel von der Stadt und begreift gewisse Verknüpfungen, was einem beim U-Bahn-fahren ausbleibt, sondern kommt zudem an Orte, fernab von touristischen Massen, die man sonst nie gesehen hätte.
Außerdem sind viele Seitenstraßen auch einen Besuch wert, insbesondere wenn es sich um Straßenzüge handelt, deren Geschäfte sich alle auf ein bestimmtes Angebot beziehen. So gibt es z.B. Straßen, an welchen sich etliche Schreibwarenläden aufreihen, oder eben kleine Shops mit Metallröhren und Mechanikerbedarf, oder Lampen oder Essen oder Spielzeug usw. Je nachdem, wie gut man mit gewissen Situationen zurecht kommt, sind auch die Tiermärkte eine Erfahrung. Es ist nicht unbedingt spaßig durch einen solchen Markt zu schlendern und eine riesige Masse an verschiedensten eingesperrten, zum Verkauf stehenden Tieren zu beobachten, aber es wird wahrscheinlich auch einer der einzigen Orte sein, an denen etwas Derartiges zu sehen ist.
Was auf jeden Fall eine Menge Spaß macht, ist sowohl das Beobachten, als auch das Mitmachen bei Tanz- oder Fitness Grüppchen, die in den Abendstunden zu lauter Musik quer verteilt in der Stadt auf Plätzen und Fußwegen oder in Parks aufpoppen. Sie bestehen meistens aus älteren Frauen oder generell älteren Menschen, die sich
gemeinsam fit halten wollen, es kann aber jeder mitmachen und es ist unglaublich, wie anstrengend auch nur 10 min dieser Choreografien sein können!
Neben den Massen an Cafés in Shanghai, mal mehr und mal weniger authentisch, gibt es eine Menge Restaurants und Imbisse oder Essensstände, die querbeet von westlichem Essen wie Hamburgern in der French Concession, über teure chinesische regionsbezogene Restaurants bis hin zu illegalen Streetfood-Ständen, bei welchen man für wenig Geld satt werden kann. Letztere würde ich unbedingt empfehlen zu probieren. Es kommt natürlich darauf an, wie empfindlich man bezüglich gewissen Hygienebedingungen ist, aber gerade dieses billige Essen war das, was mir meistens am allerbesten geschmeckt hatte und uns in vielen Hunger- und Pleitesituationen schon das Leben gerettet hat. Mit der Zeit hatten wir uns an ein paar Orten als Stammkunden etabliert.
Was in China außerdem als beliebte nächtliche Freizeitgestaltung gilt ist das sog. KTV. Also Karaoke-Partys. Diese Karaoke-Welten sind auch überall in Shanghai zu finden und manchmal groß, pompös über mehrere Etagen und wie eine Märchenwelt gestaltet, manchmal auch in dem obersten Geschoss einer Mall mit Clubfeeling. Man mietet sich einen der Gruppe entsprechend großen Raum für eine bestimmte Zeit und kann sich dann mit mehreren Mikros, Bildschirmen neben Snacks und Würfelspielen die Seele aus dem Leib singen, da es auch englischsprachige Lieder gibt. Solange keine Scham zu Singen besteht, können es die lustigsten Partys überhaupt werden, wobei Besuche mit Chinesen oft noch lustiger waren; Ich habe noch nie Menschen gesehen, die sich für Lieder so sehr ins Zeug legen.
Neben einer Masse an Freizeitangeboten reicht es natürlich eigentlich auch schon einfach nur durch Shanghai zu spazieren und die Viertel zu entdecken. Sie sind geschichtlich und kulturell oft sehr unterschiedlich, wodurch einem nie wirklich langweilig wird, auch ohne Ziel.
Fast am Ende der Linie 11, am westlichen Rand Shanghais, liegt Anting mit einer sog. Anting New Town bzw. Anting German Town. Diese war ein Stadtbauprojekt nach deutschem Vorbild, was einen Besuch unglaublich absurd macht, da man durch eine teilweise verlassene Gegend läuft, die wirkt wie Deutschland am Sonntag und zu allem Überfluss darf ein Goethe-Schiller-Skulptur-Imitat auch nicht fehlen.
Insgesamt gibt es in China atemberaubende Natur, für die man definitiv mal Wochenendausflüge planen sollte. Sollte man doch mal kurz die Lust an Shanghai verloren haben, liegen direkt in der Umgebung in Bus- oder Zugentfernung weitere Städte, wie z.B. die Wasserstadt Suzhou, die einen völlig anderen Altstadtkern besitzt und geprägt ist von vielen Kanälen, kleiner dichter Bebauung und Gassen und einer Menge Brückchen.

 

VI. Rückblick

Wie wahrscheinlich aus dem Erfahrungsbericht zu schließen ist, hat sich mein Auslandsjahr auf jeden Fall gelohnt und ich bereue meine Entscheidung nach Shanghai gegangen zu sein definitiv nicht. Mich hat nicht nur die Stadt, sondern ganz China mit der Natur, der Kultur und seinen verrückten und liebenswürdigen Menschen extrem gepackt und fasziniert und ich würde diesem Land immer wenn möglich wieder einen Besuch abstatten.
Was vor allem schön ist, ist die Chance zu bekommen, nicht nur als Tourist für ein paar Wochen das Land zu entdecken, sondern wirklich so einheimisch wie es eben geht, einen ganz anderen Bezug zu China und dem Leben dort zu entwickeln. Gerade in China sind die Regelungen, was das Einreisen von AusländerInnen und insbesondere das Wohnen bleiben angeht, sehr streng, weshalb diese Chance noch besonderer ist.
Ich bin immer gerne bereit für ein Treffen, falls es noch Aufklärungsbedarf (soweit ich kann) bei bestimmten Themen gibt, die in diesem Bericht zu kurz gekommen sind.
Empfehlen würde ich es aber auf jeden Fall sich einfach zu trauen. Jeder lernt ein Land und alles was dazu gehört etwas anders kennen und auch wenn es währenddessen nicht besonders auffallen mag, kann ein solcher Aufenthalt einiges lehren, einen ziemlich verändern und wachsen lassen. Da reicht auch schon ein verhältnismäßig kurzes Eintauchen in das Phänomen China.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert