So ziemlich “deutsch” – Österreich

On 20. Oktober 2017 by lukash

St. Leonhard, 8010 Graz, Austria

 

 

Graz, Österreich, deutschsprachiger Raum – was, hier Kulturnation?

Was hier so ziemlich „deutsch“ ist – Nationalgefühl, pünktlich 200 Jahre nach dem Wartburgfest.

 

“Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."
Karl Marx

Auch wenn es schwerfällt, die örtliche Mundart nach eingehender Gehörbildung in der Mitte des deutschen Staatsgebiets zu verstehen oder gar zu adaptieren, so lässt sich doch sagen, dass die Sprache, über die im 19. Jahrhundert versucht wurde, eine in einen Staat gegossene „Kulturnation“ zu bilden, nichts ist, woran sich in Anbetracht der diversen Variationen innerhalb der Bundesrepublik ein Unterschied vom einem zum anderen Lande feststellen ließe. An diesen einen Aspekt klammern sich nach zweihundert Jahren interessanterweise immer noch einige Gemeinschaften.

Einige davon haben die Zeiten überstanden, sind direkt aus den Strömungen des vorletzten Jahrhunderts, dem Jahrhundert der Nationalbewegungen, hervorgegangen und pflegen diese nach wie vor. In meinem momentanen Wohnquartier St. Leonhard gehört zu jedem Weg das Passieren mehrerer Häuser schlagender Burschenschaften, genannt als hervorstechendes Beispiel die Arminia (schlagend). Teil des ÖPR, einer Verbindung, die wegen rechten Gedankenguts, nationalistischen Ideentums sowie SA-Liedkultur vielfach angeprangert wurde. Zwar mussten ähnliche Verbindungen wie die Norica („Mit Gott für Volk und Vaterland“) von 1938 bis 1945 im Untergrund operieren, allerdings weniger wegen antifaschistischen Widerstands als aufgrund von mit dem NS-Regime inkompatiblen Prinzipien, zum Beispiel Patria - Vaterland.

Auf Bundesebene zeigen sich die Nationalen vor allem in der aus der Nationalratswahl im Oktober mit einem Viertel aller Stimmen deutlich gestärkt hervorgegangenen Freiheitlichen Partei Österreich, kurz FPÖ. Diese richtet nicht nur den Akademikerball des Wiener Kooperationsrings, einer Vernetzung der schlagenden und deutschnationalen Burschenschaften, mit aus, sondern rekrutiert ihre Amtsträger auch ganz gerne aus diesen Kreisen.

Mit dem Aufstieg der FPÖ (2006: 11%; 2008: 17,5%; 2013: 20,5%) und der voraussichtlichen Regierungsbeteiligung etabliert sich damit eine Partei, die nicht nur einen populistischen, konservativen, sondern auch einen offen rassistischen und nationalistischen Ton pflegt. Letzterer nimmt offen Bezug auf die Revolution von 1848 und sieht sich in deren Tradition. Die Ideen der großdeutschen Lösung sowie das komplette Paket zweihundert Jahre alter, überholter nationaler Fantasien und Werte wurden wohl über den aggressiven und irrationalen Ton gegenüber Schutzsuchenden in Österreich vergessen, mit dem FPÖ und ÖVP erfolgreich am rechten Rand fischen.

Dazu passt wohl gut folgendes Zitat:

"Das Wichtigste ist, all jenen großen Propheten zu misstrauen, die eine Patentlösung in der Tasche haben, und euch sagen, wenn ihr mir nur volle Gewalt gebt, werde ich euch in den Himmel führen“
Karl Popper

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